Leben in der Bipolarität

die Kraft,
die Ruhe und
die Herrlichkeit
Turbolocherl,
noch immer Schalter am Sitz,
diese seltsame Lackierung
Preis: € 39.450,-, Gesamtwert des Testfahrzeuges: € 42.446,00
Sicherheit: Airbag für Fahrer und Beifahrer, Seitenairbags für Fahrer und Beifahrer, Kopfairbags v/h, ISOFIX-Kindersitzverankerung,
Verbrauch/Drittelmix*: 6,0 l,
Beschleunigung 0-100 km/h*: 6,0 sec.,
Vmax: 250 km/h,
Motor: 4-Zylinder in Reihe, Leichtmetall-Zylinderkopf und -block, 4 Ventile/Zylinder, DOHC, Kette, direkte Einspritzung, Turbolader, Intercooler,
Hubraum: 1.598 cm3,
max. Leistung: 270 PS/200 kW bei 6.000/min-1,
max. Drehmoment: 330 Nm bei 1.900/min-1,
Verdichtung: 10,5:1,
Treibstoff: 95 ROZ,
Kraftübertragung: Frontantrieb, 6-Gang, ASR, Torsen-Sperrdifferential
Radaufhängung: v-McPherson-Federbeine, Dreieckquerlenker, h-Verbundlenkerachse mit Längslenker, v/h-Schraubenfedern, v-Stabilisator,
Bremsen: Scheiben, v-belüftet, v-Ø 283 mm, h-Ø 249 mm, ABS, ESP, Notbremsassistent
Bereifung: 235/35R19 91Y,
Gewicht: 1.205 kg,
L/B/H: 4.253/2.043/1.446 mm,
Radstand: 2.617 mm,
Tankinhalt: 53 l,
* Werksangaben
Fesch ist er! Der 308 ist in bester Peugeot-Tradition ein formal schönes Fahrzeug, zurückhaltend elegant, für manche vielleicht schon zu dezent. Wir mögen das, aber geben auch zu: wenn daraus ein jugendlich-auffälliger Kraftlackel geformt werden soll, ist die Aufgabe nicht ganz einfach. Natürlich könnte man wie die meisten anderen einfach Spoiler, oder Hutzen frisch aus der Geisterbahn anpicken, aber das täte beim 308 nicht nur dem studierten Designer weh. Es spricht also für den Charakter der Peugeot-Leute, so etwas nicht einmal gegen Aufpreis anzubieten. Aus Gründen, die wir nicht kennen, kam man stattdessen auf die Idee, ein bisschen mit dem Lack herumzuspielen und den GTi auf Wunsch hinten schwarz und vorne rot (blau geht auch) einzufärben. Ist mal was anderes; je nach Annäherung zwei Autos in einem.
Irgendwie passt es aber trotzdem nicht zum 308. Der ist und bleibt das Gegenteil von einem Schreihals, wie uns sein Inneres rasch bestätigt. Dort dominieren mit sicherer Hand hingeworfene aufgeräumte Flächen, die jede Aufgeregtheit meiden. Das Sportdekor ist präsent, aber nicht aufdringlich und der Gesamteindruck daher auch wegen der großzügigen Platzverhältnisse eher Gran Turismo als Gasslheizer. Ganz ohne französische Extravaganz geht es natürlich nicht. Die hochgesetzten Cockpit-Anzeigen über dem extrakleinen Lenkrad kennen wir mittlerweile und man will sie nach kurzer Eingewöhnung nicht mehr missen, weil unser Blick beim Ablesen auf der Straße bleibt. Beim Konzept, von der Klimatisierung über die Audioeinstellungen bis zur Navigation alles über den zentralen Touchscreen zu steuern, ist es umgekehrt. Es ist mittlerweile ausgereift, aber Prinzip bedingt muss man halt hin- und vom Verkehrsgeschehen wegschauen.
Die Schalträdchen der Sitzheizung sind nun endlich vom Sitz in die Mittelkonsole gewandert, dort aber offenbar ermüdet vom langen Weg auf dem Boden des Ablagefachs hängengeblieben. Am Sitz ist dafür was putzig Kleines nachgewachsen: Schalter für die Lordosenstütze!
Die sonst formidablen Sitze sind GTi-spezifisch und ein Vorgeschmack auf das Kommende. Obwohl: auch beim Fahren ist diesem Peugeot das Rabaukentum fremd. Beim Anlassen röhrt er noch keck aus dem Doppelrohrauspuff, aber das legt sich kurz danach. Dass man von halbstarken Klängen verschont bleibt steht in interessantem Kontrast zu dem, was sich sonst abspielt. Das Leistungsvermögen ist enorm und katapultiert diesen erstaunlich leichten Kompakten in Nullkommanix in Geschwindigkeitsbereiche, die weder dem Führerschein noch fahrerischer Unaufmerksamkeit zuträglich sind. Trotz der gewaltigen Kräfte, die an den Vorderrädern zerren, ist von Übermotorisierung keine Rede. Das Sperrdifferenzial und das gekonnt abgestimmte Fahrwerk (wann war Peugeot zuletzt Rallye-Weltmeister?) saugen den 308 derart auf die Straße, dass seine Limits nur auf abgesperrter Rennstrecke zu erreichen sind. Wer will, kann insbesondere das Ansprechverhalten via Sport-Taste erheblich an schärfen, aber irgendwie ist das überflüssig, denn das Ergebnis ist fast schon zu spitz und schwerer dosierbar. An dem kleinen Makel, dass der Motor durch ein kleines Loch im untersten Drehzahlbereich gerne daran erinnert, dass er seine Bärenkräfte vor allem einem Turbolader verdankt, ändert „Sport“ nichts, sodass in der Praxis wohl eher die begleitende Show zur Aktivierung reizt: rote Instrumente und Anzeige von Ladedruck, Querbeschleunigung, etc.! Der synthetisch erzeugte Motorsound hingegen hinterlässt in uns gemischte Gefühle. Vielleicht gewöhnen wir uns besser schnell an solche Gimmicks, bevor sie in unseren künftigen E-Autos Standard werden?
Dem Fahrwerk ist gesunde Härte eigen, aber was haben wir erwartet? Immerhin haben ihm die Techniker Unarten wie unruhigen Geradeauslauf und Lenkradzerren ausgetrieben und das war wegen der extremen Anforderungen schon weniger zu erwarten. Das Sechsgang-Getriebe ist kurz und gut abgestuft, betont mit langen Schaltwegen aber wieder mehr den Reise- als den Renncharakter des GTi.
Beim Verbrauch finden wir nochmals diese Bipolarität: Wer die Pferdchen vollzählig springen lässt, füttert an der Tankstelle. Wem es reicht, dass er könnte wenn er wollte, kann sich dem Normverbrauch auf Sichtweite annähern.
Aber ein bisserl die Themenverfehlung wäre das schon!