Verkehrte Welt? Fad wird’s nicht vorm TV-Gerät
Soll sich da noch einer auskennen? Es dominiert Mercedes die Testfahrten, demoliert die Konkurrenz beim ersten Rennen bis zur Virtual Safety Car-Phase und dann stehen die Silberpfeile nach den ersten drei Rennen noch ohne Sieg da.
War es in Australien noch Pech, so waren die Mercedes Boliden beim zweiten Schlagabtausch in Bahrain chancenlos. Wie schon im Vorjahr gelang es nicht, die Pirelli-Reifen bei den abendlichen Temperaturen in der Wüste zum Arbeiten zu bringen und Ferrari hatte leichtes Spiel. Erst im letzten Outing holte sich Sebastian Vettel die Pole Position – hauchdünn vor Kimi Räikkönen, der sich in der laufenden Saison extrem stark präsentiert.
Bottas erwies sich wie im Vorjahr schneller als Hamilton in der Wüste und für den Briten ging es nach der vierten Zeit durch einen Getriebewechsel, noch um fünf Plätze weiter zurück in der Startaufstellung. Gesprächsthema Nummer eins aber war der Abflug von Max Verstappen im ersten Qualify-Segment. Letztendlich doch ein selbstverursachter Fehler, wie sich nach intensiver Recherche von Red Bull und Renault herausstellte. Es sollte übrigens nicht der einzige Fehler von Verstappen am Wüsten-Wochenende bleiben, denn im Rennen zerstörte sich das holländische Wunderkind beim Versuch an Hamilton vorbei zugehen, die linke hintere Felge und damit sein Rennen.
Ein technisches Problem am Auto von Dani Ricciardo in der Anfangsphase komplettierte den Doppelausfall der Bullen. An der Spitze sah nun alles nach einem Sieg der Ferraris aus, doch Mercedes präsentierte eine alternative Strategie mit nur einem Stop und plötzlich war Ferrari unter Druck. Vettel konnte sich nicht ausreichend von den Mercedes absetzen, als Räikkönen zum zweiten Stop an die Box abbog und damit unfreiwillig das Rennen entschied. Ein Sensorfehler schickte den Finnen auf die Reise, bevor das linke Hinterrad gewechselt war. Räikkönen überfuhr dabei auch noch seinen Mechaniker, der mit Beinfrakturen in die Streckenklinik gebracht werden musste. Durch den Tumult in der Ferrari-Box verstrich aber die Zeit, um Vettel rechtzeitig an die Box zu holen und der Deutsche musste – obwohl auf den falschen Reifen unterwegs, auf eine Ein-Stop-Strategie umstellen. Mercedes wieder traute dem Ganzen nicht, wähnte sich vielleicht auch schon als heimlicher Sieger und gab Bottas zu spät das Signal zum Angriff. So hatte der Finne im Silberpfeil nur mehr einen Versuch den Sieg zu holen und der misslang. Vettel rettete den Sieg hauchdünn über die Linie und bei einer Zwei-Stop-Strategie wäre wohl auch noch Hamilton vor dem Deutschen ins Ziel gekommen.
Die Überraschung des Bahrain-Wochenendes war aber ganz sicher Torro Rosso. Das Red Bull Junior Team setzte erstmals mit den Honda-Motoren ein Ausrufezeichen. Pierre Gasly nützte die Gunst der Stunde und wohl auch die maximale Power des Honda-Motors, der in Bahrain bewusst einem Härtetest unterzogen wurde, um mit Rang vier das beste Ergebnis von Honda in der Hybrid-Ära einzufahren. Überhaupt scheint die Ehe zwischen Torro Rosso und Honda viel besser zu funktionieren, als die letzten Jahre mit McLaren, vielleicht auch deshalb, weil Franz Tost die beiden Mannschaften auf Augenhöhe kooperieren lässt!
Der Shanghai Circuit gilt eigentlich als Mercedes-Territorium, doch auch in China kamen die Silberpfeile im Training nicht und nicht in die Gänge. Freilich, am Samstag standen extrem kalte Temperaturen zu Buche, eine reine Ausrichtung auf das Qualifying hätte die Rennperformance gewaltig beeinflusst und möglicherweise ist Ferrari hier den extremeren Weg gegangen – doch wie schon in Bahrain waren die Roten im Training das Maß der Dinge. Der Master hieß wieder Vettel – hauchdünn vor Räikkönen und dann die Silberpfeile in Reihe 2. Bottas machte am Start alles richtig und quetschte sich zwischen die Ferraris und blieb im drei Sekunden Abstand hinter Vettel.
Die Spitze war auf einer Ein-Stop-Strategie und diesmal waren es die Mercedes-Ingenieure, die den besseren Job machten. Verstappen, der in der ersten Runde von Rang fünf auf drei vor sprintete, geht als erster von den Spitzenleuten an die Box. Mercedes reagierte mit Hamilton und da die Sektor-Zeiten gut sind, wurde auch Bottas sofort zum Wechsel an die Box beordert. Abgefertigt in 2,18 Sekunden Standzeit, legte die Crew eine Fabel-Outlap hin und Ferrari wähnte sich gegen den Undercut in Sicherheit. Nach dem Desaster von Bahrain war der Stop aber etwas langsamer und so kam Vettel hinter Bottas auf die Strecke zurück. Das Rennen schien entschieden, da half es auch nichts Räikkönen als Bremsschikane lange draußen zu lassen. Bottas kam an Räikkönen vorbei, bevor Vettel einen echten Angriff landen konnte. Als sich aber alle schon zurücklehnten, kollidierten die Torro Rosso Teamkollegen Hartley und Gasly, das Saftey Car kam auf die Strecke – Zeit um die Trümmer sicher beseitigen zu können. Red Bull reagierte blitzschnell und holte beide Piloten zum Doppelstopp an die Box und als das Rennen wieder frei war, fuhren die Bullen mit neuen Reifen (wie das heiße Messer durch die Butter) durch das Feld. Verstappen gab das Tempo vor, gefolgt von Ricciardo, doch bei Hamilton verschätzte sich der Holländer und rutschte über die Wiese. Jetzt ist der Australier der Jäger und einmal mehr zeigt er, dass er der beste Überholer im Feld ist. Hamilton, Vettel und schließlich auch Bottas haben keine Chance gegen Dani Ricciardo – der fast das Qualifying verpasst hätte, da nach FP3 der Motor gewechselt werden musste – feierte er mit dem RB14 den Premierensieg. Verstappen will ihm nach und lag auf Podiumskurs, als er sich in der Spitzkehre verschätzte und Vettel unmotiviert in der Seite traf. Für beide war das Rennen zerstört. Verstappen kämpfte sich zwar nach vor, wurde aber mit einer Zehn-Sekunden Strafe auf Platz fünf zurück gereiht und Vettel schleppte den weidwunden SF71H auf Platz acht ins Ziel. Das Podium hinter Ricciardo und Bottas komplettierte Räikkönen, der so trotz des Opfers durch die Box mit Rang drei belohnt wurde.
Ist die Mercedes Dominanz im fünften Jahr der Hybrid-Formel vorbei? Es ist nicht ganz klar, Fakt ist, so spannend war der Saisonauftakt schon lange nicht mehr und Mercedes muss nun endlich siegen, soll es mit Titel Nr. 5 klappen und wir fragen uns ob es Verstappen gelingt seinen Speed künftig auch mit Rennintelligenz zu paaren. Zumindest im Interview nach dem Rennen zeigte sich Mad-Max erstmals einsichtig.