Schreyers Ehrgeiz. Der Bauch ist das Ziel

Antrieb,
Platzverhältnisse,
Aussehen
Soundtuning,
aufgesetzter Multmedia-Bildschirm,
zuweilen Schreyers Audi-Handschrift
Preis: € 62.790,-, Optionen: Mica-Metallic-/Mehrschicht-/Pearllackierung € 800,-, Glasschiebe-/Hubdach, elektrisch € 1.200,-
Sicherheit: ISP-InsassenSicherheitsPaket (Frontairbag Fahrer- und Beifahrerseite, Knieairbag für Fahrer, US-Fullsize/Seitenairbags vorne , Kopf- und Schulterairbags vorne und hinten, Seitenaufprallschutz, Dreipunkt-Sicherheitsgurte auf allen Plätzen, Gurtstraffer & Gurtkraftbegrenzer vorne, höhenverstellbar, ISOFIX-Vorrichtung für Kindersitze, aktive Kopfstützen vorne), Lendenwirbelstütze für Fahrer,
Verbrauch/Drittelmix*: 10,6 l,
Beschleunigung 0-100 km/h*: 4,9 sec.,
Vmax: 270 km/h,
Motor: 6-Zylinder in V, Leichtmetall-Zylinderköpfe und- block, 4 Ventile/Zylinder, 2×2 DOHC, Kette, Benzindirekteinspritzung, Abgasturbolader, Intercooler,
Hubraum: 3.342 cm3,
max. Leistung: 370 PS/272 kW bei 6.000/min-1,
max. Drehmoment: 510 Nm. bei 1.300-4.500/min-1,
Verdichtung: 10,0:1,
Treibstoff: 95 ROZ,
Kraftübertragung: 8-Stufen-Automatik, permanenter Allradantrieb, ESP,
Radaufhängung: v-McPherson-Einzelradaufhängung, h-Mehrlenkerachse,
Bremsen: Scheiben, ABS, Berganfahrassistent, elektronische Bremskraftverteilung, ESC,
Bereifung: v-225/40 R19, h-255/35 R19,
Gewicht: 1.865 kg,
L/B/H: 4.830/1.870/1.400 mm,
Radstand: 2.905 mm,
Tankinhalt: 60 l,
* Werksangaben
Volltreffer ins deutsche Premium-Herz?
Sie sind gut, sie sind günstig und sehen mittlerweile auch recht gut aus. Doch sonderlich gefühlvoll waren Autos aus Korea bislang nicht. Bis jetzt. Denn mit dem Stinger landet Kia einen Hauptpreis. Mega.
Gut Ding will Weile haben. Seit Peter Schreyer 2006 bei Kia angefangen hat, wünscht sich der deutsche Designer einen Sportwagen für die Koreaner. Dieses Ziel hat er noch immer nicht ganz erreicht, er ist ihm aber ein gutes Stück nähergekommen. Auf sein stetes Betreiben hin startet Kia nun mit der Coupé-Limousine Stinger. Der Bauch ist diesmal das Ziel, nicht der Kopf, zumal sich der Preis mit V6-Motor, Allrad und Premiumausstattung locker in Regionen treiben lässt, in denen Kia-Kunden bislang eher selten unterwegs waren.
Ein echter Sportwagen, so wie damals der von Schreyer gezeichnete Audi TT, ist der Stinger natürlich nicht. Doch als viertüriges Coupé im Stil von Audi A5 und BMW 4er kommt er der idealen Linie so nah wie sonst kein anderer Kia. Selbst die albernen Nüstern auf der Haube und die schillernden Einsätze in den Kiemen können die gelungene Grundform nicht verschandeln.
Zum ersten Mal sieht ein Kia nicht nur leidenschaftlich aus, sondern fährt sich auch so. Die Koreaner haben dafür Albert Biermann, den einstigen Entwicklungschef der BMW M GmbH, zum Chef über die Fahrdynamik gemacht und ihn mit dem Stinger erst einmal ein paar Wochen an die Nordschleife geschickt.
Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Selbst in der schärfsten der fünf Stufen der adaptiven Fahrwerksregelung ist der Wagen weder bretthart noch bockig. Das Fahrwerk ist fordernd und weckt die Lebensgeister in den sonst gerne mal sedierten Kia-Kunden.
Im 370 PS starken GT mit 3,3 Liter großem V6 mit Allrad giert er nach Kurven und frisst mit seinen maximal 510 Nm, der schnellen Achtstufenautomatik und einem Sprintwert von 4,9 Sekunden hungrig die Geraden dazwischen. Der Stinger ist das erste Fahrzeug aus Korea, welches mehr als 250 Sachen fährt und mit seinem Spitzentempo von 270 km/h der deutschen Konkurrenz spätestens bei Vollgas eine lange Nase dreht. Außerdem sitzt man selbst im Fond noch sehr ordentlich und kann unter der schrägen Klappe bis zum Dach mehr als genug Gepäck einladen, sodass der Koreaner durchaus zu einem kommoden Langstreckenwagen taugt.
Am Innenraum merkt man, das auch hier Kia mit größtem Ehrgeiz zu Werke gegangen ist – schließlich hat Peter Schreyer mal als Innenraumdesigner (Audi 100 C4) angefangen. Sauber verarbeitetes dunkles (wahlweise auch helles oder rotes) Leder überzieht die bequemen Sitze. Runde Lüftungsausströmer und galvanisierte Knöpfe sitzen brav in einer Reihe. Materialmix und Anmutung überzeugen. Der Wahlhebel für die Automatik sieht edel aus und liegt gut in der Hand. Einzig der zentrale Multimedia-Bildschirm mit seinem breiten Rand stört ein wenig die Eleganz-Stimmigkeit, lässt sich dafür aber gut bedienen. Das Ding passt optisch eigentlich eher in die Mercedes A- und B-Klasse – im Stinger hätte die Anzeige ruhig etwas stylischer ausfallen können.
Gefühl ist dabei für Kia daher nicht nur eine Frage von Geschwindigkeit und Fahrdynamik. Weil der Stinger nicht nur das sportlichste Modell in Europa ist, sondern neben dem Sorento auch den meisten Status bieten soll, haben sie bei Ausstattung und Ambiente nicht gekleckert, sondern geklotzt.
Die Idee hinter der Gestaltung des tiefliegenden Innenraums ist, dass man sich wie in einem Kokon fühlen soll. Das hohe Armaturenbrett verläuft streng horizontal und wird nur vom mittigen Touchscreen unterbrochen. Das schmale Dreispeichen-Lenkrad mit Schaltwippen greift wieder den sportlichen Aspekt auf, für den Komfort ist es allerdings mit verschiedenen Funktionstasten belegt. Die Mittelkonsole teilt sich in zwei Bereiche: Der obere Teil dient der Steuerung des Infotainments, darunter sind die Knöpfe für die Klimaanlage und die Lüftungseinstellung angebracht.
Wo der Optima tadellos verarbeitet ist, aber mit seinem ganzen Grau eher trist wirkt, streichen die Finger im Stinger über feines Leder und vor allem über Metallschalter, die aus dem Vollen gefräst zu sein scheinen. Und selbst der Zündschlüssel ist ein Kleinod.
Doch die Noblesse hat auch ihre Grenzen. Oder sollte sie zumindest haben. Denn so schön die Ruhe ist, wenn der Stinger mit Highspeed auf der Autobahn unterwegs ist, so sehr würde man sich ein bisschen Motorsound wünschen, wenn man den Wagen auf der Landstraße fliegen lässt.
Und auch beim Anlassen ist der Stinger ein arger Leisetreter. Wer sich den Luxus leistet und gleich fünf unterschiedliche Fahrprogramme komponiert, der hätte beim Soundtuning nicht sparen dürfen.
Der neue Kia Stinger fährt, wie er aussieht: schick sportlich. Er macht Lust auf lange Strecken. Natürlich sind dafür knappe 63tausend Euronen viel Geld für einen Koreaner. Für einen schon in der Basis nahezu voll ausgestatteten Gran Turismo ist der Preis dagegen konkurrenzlos günstig. Volltreffer ist der Kia Stinger auf alle Fälle, Plattschuss für die Premiummarken allerdings noch nicht…