Ein bissl mehr …und – noch immer „Mädchen-Porsche?“

Ansprechverhalten,
Fahrwerk,
PDK-Getriebe
Kofferraum,
Sicht nach hinten,
geschlossen – „lautes“ Dach
Preis: € 96.568,39, Sonderausstattung: 2-Zonen Klimaautomatik € 909,06, Abstandsregeltempostat € 1.848,70, Alarmanlage m. Radar-Innenraumüberwachung € 241,86, Außenspiegel elektrisch anklappbar € 354,45, BOSE Surround Sound-System € 1.406,68, Connect Plus € 2.032,18, Deckel-Ablagefach Alcantara m. Porsche Wappen € 269,66, ISOFIX-Befestigung Beifahrerseite € 214,06, Gesamtwert des Testfahrzeuges: € 123.948,37
Sicherheit: Airbag für Fahrer und Beifahrer, Seitenairbags vorne, 3-Punkt-Automatikgurte auf allen Plätzen, vorne mit Gurtstraffer und Gurtkraftbegrenzer,
Verbrauch/Drittelmix*: 9,0 l,
Beschleunigung 0-100 km/h*: 4,6 sec.,
Vmax: 290 km/h,
Motor: 4-Zylinder Boxermotor, Leichtmetall-Zylinderkopf und- block, 4Ventile/Zylinder, DOHC, Kette, Hub/Steuerzeit variabel, direkte Einspritzung, 1Turbolader VNG, Ladeluftkühler,
Hubraum: 2.497 cm3,
max. Leistung: 365 PS/269 kW bei 6.500/min-1,
max. Drehmoment: 420 Nm. bei 1.900-5.500/min-1,
Verdichtung: 9,5:1,
Treibstoff: 95 ROZ,
Kraftübertragung: 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe, heck, ESP,
Radaufhängung: v-McPherson-Federbeine, Quer- und Längslenker, h-Längs- und Querlenker, v/h-Schraubenfedern, elektronisches Dämpfersystem, v/h-Stabilisator,
Bremsen: Scheiben, belüftet, v-Ø 330 mm, h-Ø 299 mm, ABS,
Bereifung: v-235/35 ZR 20, h-265/35 ZR 20,
Gewicht: 1.365 kg,
L/B/H: 4.380/1.800/1.280 mm,
Radstand: 2.480 mm,
Tankinhalt: 54 l,
* Werksangaben
Ein wenig Unvernunft tut dann und wann auch mal gut und so sollte es manchmal eben einfach ein bisschen mehr sein. Auch Porsche weiß: mehr ist mehr und genau deshalb gibt es den 718 Boxster GTS. Die neueste – und bislang stärkste – Ausgabe des Zuffenhausener Einstiegsmodells packt nochmal 15 PS drauf. Auf der Rechnung stehen dafür fast 16.000,- Euro mehr. Eine Investition die sich lohnt?
„Darf’s ein wenig mehr sein“, könnte die Frage beim Porsche-Händler, wie auch beim Fleischhauer, lauten. Und ganz bestimmt werden einige Kunden beim Kauf zu der stärker motorisierten Drei-Buchstaben-Variante greifen, frei nach dem Motto: Liebe vergeht, PS besteht. Aber seien wir mal ehrlich, 15 PS mehr für das GTS-Modell sind in diesem Fall nur der Tropfen auf den heißen Stein. Da müssen die Stuttgarter schon deutlich mehr auffahren, damit sich der höhere Einstiegspreis rechtfertigt. Und das tun sie auch!
Was ihn besonders macht: Um ihn von seinen schwächeren Brüdern zu unterscheiden, haben die Porsche-Entwickler am Auftritt des GTS gearbeitet. Dazu zählen unter anderem schwarze Spoilerlippen im Gesicht, dazu dunkel umrandete Bi-Xenon-Scheinwerfer und Rückleuchten, schwarze Endrohre und ebenfalls schwarz lackierte 20-Zoll-Schlappen. Im Innenraum kommt feinstes Alcantara zum Einsatz, damit dürfen sich die gut anliegenden Sportsitze, die Armauflage, der Dachhimmel und die A-Säule schmücken. Das Sport-Chrono-Paket, das beim S-Modell als Extra hinzu gebucht werden muss, ist im 718 Boxster außerdem serienmäßig mit dabei.
Wer allerdings denkt, dass der Einstiegspreis von 95.299,- Euro für das Top-Modell nicht mehr in die Höhe zu treiben sei, der irrt. Die Aufpreisliste hält noch viele weitere Optionen parat, die sich Porsche natürlich fürstlich entlohnen lässt. Wer lieber mit einem Abstandsregeltempostat unterwegs sein möchte, legt 1.848,70 Euro drauf. Ein Parkassistent hinten kostet weitere 5.88,26 Euro – wer will schon unliebsame Kratzer und Beulen in seinem GTS-Liebling verzeichnen. Doch besonders zur Kasse werden all diejenigen gebeten, die lieber das PDK (serienmäßig kommen die 718 mit Sechsgang-Handschalter) für sich schalten lassen und im Boxster per BOSE Surround Sound System berieselt werden wollen: Das automatische Getriebe steht mit 1.296,- Euro Mehrkosten in der Rechnung, das Sound System mit schlanken 1.406,86 Euro. Mit wenigen Klicks bei der Bestellung lässt sich so der Preis in einen sechsstelligen Bereich bringen. Fast schon putzig wirken da die Cent-Beträge hinterm Komma.
Freudig mit dem Hintern wackeln: Alles andere als putzig ist der Antrieb. Wie im S werkelt hier der ohnehin schon recht potente 2,5-Liter-Vierzylinder-Motor, allerdings mit 15 Pferdestärken mehr. Macht also 365 PS, die am Ende die Höchstgeschwindigkeit nochmal um 5 km/h auf Tempo 290 höher legen. Um das zu schaffen, wurde der Ansaugtrakt größer dimensioniert und der Ladedruck des Turbos um 0,2 bar auf 1,3 bar erhöht. Doch trotz aller technischer Raffinesse, bleibt die Frage nach den ersten Kilometern: Geht Porsche und Vierzylinder wirklich zusammen?
Ja! Man muss neidlos anerkennen, dass der 718 GTS mit seinen Vieren nur sehr selten den Wunsch nach mehr Zylindern aufkommen lässt. Bereits nach 4,6 Sekunden fällt die 100-km/h-Grenze im 1.375 Kilo schweren Klein-Porsche. Dafür sorgt das maximale Drehmoment von 400 Newtonmeter, das im breiten Band von 1.900 bis 5.000 Umdrehungen anliegt. Viel Kraft also, die man unterm Hintern hat – und die man im Hinterkopf haben sollte: Springt man früh morgens ins Auto und legt nach wenigen Kilometern, noch leicht schlaftrunken, den Fuß am Bodenblech an, kann es schon mal vorkommen, dass der GTS freudig mit dem Hintern wackelt.
Einziges Manko des Vierzylinders: Mit den Ohren dagegen wackelt wohl keiner so richtig, wenn der 718 GTS vorbeirauscht und so richtig wollen sich die Ohren noch nicht an den neuen Klang gewöhnen. Das sonst so satte Brabbeln aus den Endtöpfen, das man (noch) vom Elfer kennt, klingt dumpfer und ein wenig sonorer –vielleicht braucht es aber auch einfach noch ein wenig Eingewöhnungszeit.
Keine Gewöhnungsphase braucht es dagegen in Sachen Fahrdynamik: Der knackige Unterbau – serienmäßig mit adaptivem Fahrwerk – ist mitunter ganz schön hart, sorgt aber für besten Kontakt zur Straße und dank seiner großartig abgestimmten, direkten Lenkung durchpfeilt der GTS jede Biegung wie am Schnürchen. Kurz anbremsen, einlenken und federleicht wieder heraus beschleunigen – so geht Fahrspaß und die Freude steigt von Kurve zu Kurve. Erst recht, wenn diese ein bissl enger werden, da kommt die Druckphase aus dem Drehzahlkeller richtig zur Geltung, der Hintern schmiert nur noch ganz leicht, duckt sich aber zwecks Schulterschluss mit dem Asphalt, ja beißt sich richtig rein. Nächste Ecke, selbes Spiel.
Das PDK-Getriebe mag nicht jeder Manns Sache sein. Klar aber ist: Damit ist man eindeutig schneller als mit dem Handschalter. Die sequentielle Schalteben macht nach kurzer Gewöhnungsphase richtig Spaß, das reinklopfen der Gänge – speziell nach unten geht bald wie automatisch von der Hand und schon nach wenigen Kilometern im kurvigen Hinterland weiß man: das ist es! Hier ist aktives Fahren angesagt, der 718er kann auch fordern – und wie! – nämlich bis die Handgelenke schmerzen, die Lachmuskeln im Gesicht ebenso und der ganze Boden nach einer Pause schreit, obwohl die Sitze verdammt gut modelliert sind, halten und stützen, sowie auch den Hintern rutschfest klammern.
Es muss klar sein: Wer sich für einen Porsche 718 GTS entscheidet, der hat in der Regel noch ein Alltagsauto. Oder zwei. Denn mit seinen beiden kleinen Kofferräumen – 275 Lite – ist das Modell nicht gerade praktisch. Darum geht’s aber auch nicht. Es geht um den Fahrspaß – und hier darf es eben gern auch ein bisschen mehr sein. Da kommt der kleine, flotte Drei-Buchstaben-Porsche also genau richtig: 15 PS mehr Leistung, 5 km/h mehr an der Spitze und Smokey-Eyes klingen verlockend. Wer jetzt gleich zum Händler rennt, sollte aber an einen Geheimtipp denken: PDK muss schon sein, um an geeigneter Stelle einfach mal zwei Sekunden schneller beschleunigen zu können.